Im Rahmen des MultiKulti-Webinars begrüßten wir am 14.07.2022 Prof. Dr. Jörg Overmann, den wissenschaftlichen Leiter des Leibniz-Instituts DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) und Professor für Mikrobiologie an der Universität Braunschweig.
Prof. Dr. Overmann gelang es mit Hilfe innovativer Kultivierungsmethoden bereits zahlreiche neue Bakterienarten zu isolieren und somit konnte er dem MultiKulti-Team, sowie vielen interessierten Gästen, während seines Vortrags einen wertvollen Einblick in verschiedene Kultivierungsstrategien geben. Denn, auch wenn die Analyse von Metagenomen uns heute bereits eine Einschätzung des metabolischen Potentials von Mikroorganismen erlaubt, erschweren „hypothetical genes“ weiterhin eine konkrete Aussage über deren Rolle in der Umwelt und die Gewinnung von neuen Isolaten ist unumgänglich.
In seinem Vortrag „Culturing Bacterial Black Matter“ legte uns Prof. Dr. Jörg Overmann dar, dass der Großteil der bakteriellen Phyla nur bisher unkultivierte Arten enthält (vgl. Hug et al., 2016). Dies spiegelt sich auch im Phänomen der „Great Plate Count Anomaly“ wider – der Tatsache, dass in Umweltproben die durch Kultivierung erhaltenen Zellzahlen um Größenordnungen niedriger sind als Abundanzen, die mikroskopisch bestimmt werden. Daraus ergibt sich die Frage, ob es also tatsächlich „unkultivierbare“ Mikroorganismen gibt? Dass nur die Minderheit der natürlich vorkommenden Mikroorganismen mit den derzeitigen Labortechniken kultiviert werden können, liegt nach Überzeugung von Prof. Dr. Overmann nicht an den Mikroorgansimen selbst, sondern eher am Unvermögen der Mikrobiolog*innen.
Um dieses Unvermögen zu überwinden, stellte Prof. Dr. Overmann Strategien vor, die auch Umweltparameter, Literaturdaten und molekularbiologische Methoden nutzen um geeignete Kultivierungsvorraussetzungen vorherzusagen und zu schaffen. Dazu zählen ganz klassische Methoden wie die Anpassung von Inkubationsbedingungen, sowie von Medien und Puffern (z.B. pH-Wert, natürliche Substratkonzentrationen, Geliermittel…). Zusätzlich können aber auch komplexere Herangehensweisen wie Hochdurchsatzverfahren („Culturomics“), Chemotaxisversuche oder Kultivierungen aus Biofilmen genutzt werden. Da Mikroorganismen in der Umwelt nicht isoliert vorkommen, sollten zukünftig auch Ansätze verfolgt werden, die bakterielle Interaktionen und beispielsweise Signalmoleküle bei der Anreicherung von bisher unkultivierten Organismen einbeziehen.
Alle Teilnehmenden verfolgten den Vortrag mit großem Interesse, was sich auch in der lebhaften Fragerunde zeigte, welche sich an den umfassenden Vortrag anschloss. Wir danken Prof. Dr. Jörg Overmann für die Zeit und die inspirierende Präsentation.
Das nächste MultiKulti-Webinar findet am Donnerstag, den 08.09.2022 um 16:15 Uhr online statt.